Früher war alles besser – Oder: Komm klar mit der Gegenwart!

Immer wieder treffe ich auf Leute die gerne mal erzählen wie es früher so war, besser eben. Wobei „früher“ hier ein durchaus weitgefächerter Begriff ist. Früher kann „gerade erst letzte Woche“ oder aber auch „vor 30 Jahren“ bedeuten. Das richtet sich halt immer nach der jeweiligen Person, die gerade mal wieder in der Vergangenheit schwelgt.
Aber war früher wirklich alles besser? Wenn ich meine Mama frage ist ihre erste spontane Antwort „JA!“. Diese wird dann aber schnell in ein „Naja, nicht besser aber anders!“ umgewandelt. In der heutigen schnelllebigen Zeit mit all den Möglichkeiten die jeder hat, ist es schwierig selbst stabil zu bleiben, sich auch mal durchzubeissen, Krisen durch zu stehen.
Ja, ich hör Euch schon. Die, die jetzt sagen, gerade in der heutigen Zeit gibt es viel mehr Krisen, die jeder einzelne durchstehen muss bla bla bla. Ich hör Euch, aber ihr versteht mich nicht.
Was ich meine sind die Möglichkeiten die jeder hat und auch nutzt und zwar der Weg des geringsten Widerstandes. So wie es in der Natur des Menschen tief verankert ist.
Ich bin immer wieder fasziniert davon wie schnell sich die Gesellschaft verändert hat.
Vor ca. 40 Jahren war es einer Frau so gut wie unmöglich alleine eine Wohnung zu mieten. Das ging damals nur als Paar, am besten schon verheiratet oder zumindest verlobt. Verlobt man sich heute noch? So offiziell meine ich? Oder sitzt man einfach mal morgens beim Frühstück, kratzt sich evtl. noch gemütlich im Schritt und einer fragt mal so in die Runde „Schatz, wie is‘? Heiraten?“ Und die absolut emotionsfreie Antwort „Können wir!“ besiegelt dann eine „moderne Verlobung“? Läuft das heute so? Romantic is dead!?
Früher musste man sich arrangieren. Vieles ging nur zu zweit, in einer Partnerschaft. Man wollte aber auch kämpfen, für eine gemeinsame Zukunft, für eine Familie, für ein gutes Leben. Ich frage mich wann das aufgehört hat?
Heute entscheidet man bzw. Frau sich bewusst für eine klassische Rollenverteilung. Frau > Heim und Kind, Mann > bringt Geld nach Hause.
Ich bin hier keineswegs pro „Frau an Herd“! Nur dass das mal klar ist! Nur, dass es früher kaum eine andere Möglichkeit gab und es war ok. Klar, Zeiten ändern sich! Und heute? Nach all diesen Emanzipations-Verschlimmbesserungen und zeitweise Verweichlichung der Männer, entscheidet jeder für sich welche Rollenverteilung für ihn passt. Das ist gut – einerseits. Andererseits kann jeder das machen was er will. Also wenn ich heute die Schnauze hier sowas von voll hab, könnte ich meine Koffer packen und z.B. nach London gehen. Jetzt mal abgesehen von Kündigungsfristen für Job, Wohnung etc. und Kontostand. Theoretisch wäre das möglich!
Bei Differenzen mit dem Chef wird eher gekündigt und ein neuer Job gesucht als zu versuchen die Differenzen beizulegen. Gefällt der Nachbar nicht kann man ja umziehen. Ist das Kind zu nervig kommt die Supernanny. Bloss nicht selber kämpfen. (Überspitzt dargestellt, ich weiss.) Bei Beziehungsproblemen wird sich doch eher getrennt als es nochmal zu versuchen. Versteht mich nicht falsch, ich befürworte keine hoffnungslosen Beziehungen! Aber muss man sich trennen weil der Partner den Klodeckel nicht runter macht? Oder weil er die Socken mal wieder neben den Wäschesack – anstatt hinein – geschmissen hat? Muss das sein? Ich finde man trennt sich heute viel zu leichtfertig.
Wer – und da schliesse ich mich nicht unbedingt aus – beisst sich denn heute noch so richtig durch? Es ist doch so einfach unabhängig zu sein. Alleine eine Wohnung, Jobwechsel, sogar als Alleinerziehende/r ist es möglich (sicher nicht ganz einfach, aber es ist möglich!)
Fehlen womöglich doch gewisse Abhängigkeiten? Und wie in meinem zuvor geschriebenen Blogeintrag bin auch ich zur Unabhängigkeit erzogen worden. Was ja mal grundsätzlich nicht so schlecht ist. Aber bin ich dadurch auch zu einem Egoisten erzogen worden? Hat man sich früher mehr um den Partner oder den Job etc. bemüht?
In meinem Freundeskreis nehme ich immer wieder wahr, wie unglücklich doch diese Unabhängigen Individuen sind. Sind sie – oder wir alle – doch irgendwie abhängig?
Hat sich die Gesellschaft vielleicht zu schnell geändert und wir kommen nicht mehr klar damit? Zu schnell, zu gross, zu global, zu unabhängig? War früher evtl. nicht alles besser sondern einfach nur weniger?
Ich denke wenn jeder sich nur ein bisschen mehr darüber bewusst ist, was er wirklich will, mit einer gesunden Portion Egoismus, dann wird die Aussage „Früher war alles besser“ nach und nach verblassen, für jeden von uns. Die Zeit kann niemand zurückdrehen! Also, Komm klar mit Deiner Gegenwart!

In diesem Sinne
Schönes Wochenende – JETZT
Katrin